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Wissenschaftlich recherchieren: Diese Quellentypen sollten Sie kennen

Jeder Forschende kennt das Problem: Eine endlose Menge an Artikeln, Studien und Büchern wartet darauf, durchsucht zu werden. Hoch motiviert durchkämmen sie unzählige Quellen. Am Ende stehen Sie verwirrt vor einem Berg von Material. Wo finde ich das, was ich eigentlich suche? Und ist das Gefundene auch brauchbar?

Nachdem wir im letzten Beitrag die Forscherfrage geklärt haben, widmen wir uns nun den wissenschaftlichen Quellen – dem Ort, an dem das Gesuchte verborgen liegt. Die wissenschaftliche Recherche gleicht oft einer Suche nach einem tief verborgenen Schatz im Labyrinth des Wissens. Ein Grundverständnis der verschiedenen wissenschaftlichen Quellen hilft dabei, effektiver und zielgerichteter zu suchen. Es gibt Informationen von hoher Qualität sowie solche, deren Verwendung in akademischen Arbeiten ungeeignet ist – auch wenn dies nicht sofort ersichtlich ist. In diesem Artikel erfahren Sie, welche Arten von wissenschaftlichen Quellen es gibt, welche geeignet sind – und welche nicht.

Wenn Sie tiefer in die Kunst der Recherche eintauchen möchte, begleite ich Sie gerne weiter – in meiner Reihe wissenschaftliche Quellen bewerten.

Was ist eine wissenschaftliche Quelle?

Wissenschaftliche Quellen sind Informationsträger, die für die wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung genutzt werden. Doch nicht jede Information, die gedruckt oder online zu finden ist, gilt automatisch als verlässliche Quelle. Um als geeignet – also „zitierfähig“ – zu gelten, muss eine wissenschaftliche Quelle bestimmte Kriterien erfüllen:

  1. Veröffentlichung
    • Die Quelle muss publiziert sein – sei es in gedruckter, elektronischer oder audiovisueller Form.

  1. Identifizierbarkeit
    • Die Quelle muss sich eindeutig zuordnen lassen: Autor, Titel, Verlag, Veröffentlichungsort und -datum müssen angegeben sein.
    • Sie sollte über eine stabile URL oder einen DOI (Digital Object Identifier) verfügen.

  1. Öffentliche Zugänglichkeit
    • Die Quelle muss für Dritte einsehbar sein – in einer Bibliothek, einer Datenbank oder online (kostenpflichtig oder frei zugänglich).

  1. Dauerhaftigkeit
    • Die Quelle sollte langfristig verfügbar und nachprüfbar Eine Webseite ohne stabile URL oder offizielle Archivierung kann problematisch sein.

Nur wenn eine Quelle diese Kriterien erfüllt, gilt sie als zitierfähig – doch Achtung: Zitierfähig bedeutet nicht automatisch, dass sie auch zitierwürdig ist! Eine wissenschaftliche Quelle muss zusätzlich wissenschaftlichen Qualitätsansprüchen genügen.

Die wichtigsten Arten wissenschaftlicher Quellen

Wissenschaftliche Quellen lassen sich in verschiedene Kategorien unterteilen. Hier ein Überblick über die wichtigsten Typen:

Primärliteratur – Die Originalquelle

Primärquellen sind die ursprünglichen wissenschaftlichen Arbeiten, auf denen alle weiteren Erkenntnisse aufbauen. Autoren sind in der Regel die Forscher selbst. Dazu gehören:

Kurz gesagt: Primärliteratur ist die Quelle selbst. Wer eine wissenschaftliche Arbeit schreibt, sollte immer versuchen, auf Primärliteratur zurückzugreifen.

Sekundärliteratur– Die Interpretation der Originalquelle

Sekundärliteratur setzt sich mit Primärquellen auseinander und analysiert oder interpretiert diese. Sie kann nützlich sein, um einen Überblick über ein Thema zu gewinnen oder weitere Primärquellen zu finden. Beispiele sind:

Kurz gesagt: Sekundärliteratur beschäftigt sich mit der Primärliteratur – sie ist hilfreich, aber nicht immer die beste Referenz in eigenen wissenschaftlichen Arbeiten. Mit der Literaturliste in der Sekundärquelle lassen sich jedoch weitere Primärquellen finden.

Tertiärliteratur – Überblicks- und Lehrwerke

Tertiärliteratur bezeichnet Referenzwerke, die Wissen aus Primär- und Sekundärquellen zusammenfassen, aber selbst keine neue wissenschaftliche Analyse oder Forschung enthalten. Dazu gehören:

Kurz gesagt: Tertiärliteratur ist besonders hilfreich für einen schnellen Überblick über ein Thema, aber meist nicht als wissenschaftliche Quelle zitierfähig.

Noch etwas zu den Begriffen

Sowohl Primärquellen als auch Sekundärquellen sind schlicht Quellen, also Informationsträger.

Der Begriff Sekundärliteratur wird oft synonym mit Sekundärquelle verwendet, bezeichnet aber meist moderne wissenschaftliche Fachliteratur, die sich systematisch mit einem Thema auseinandersetzt. Sie basiert auf der Auswertung von Primärquellen, fasst bestehende Forschungsergebnisse zusammen oder ordnet sie in einen größeren wissenschaftlichen Kontext ein.

Im englischsprachigen Sprachraum werden unter anderem folgende Begriffe verwandt:

Primary Sources:

  • Journal Articles (Original Research): Publikationen mit neuen Forschungsergebnissen
  • Clinical Trials: Klinische Studien, die neue Behandlungsmethoden oder Medikamente untersuchen
  • Conference Proceedings: Veröffentlichte Tagungsberichte mit neuen Forschungsergebnissen
  • Case Report: Detaillierte Berichte zu einzelnen medizinischen Fällen
  • Technical Report: technische Originalpublikationen
  • Patents: Schutzrechte für neue wissenschaftliche oder technische Entwicklungen

Secondary Sources:

  • Review Articles: Übersichtsartikel, die bestehende Forschungsergebnisse zu einem Thema bewerten
  • Meta-Analyses: Statistische Zusammenfassungen mehrerer Studien
  • Systematic Reviews: Strukturiert zusammengestellte Forschungsergebnisse mit klar definierten Kriterien
  • Guidelines: Offizielle Richtlinien basierend auf gesichteter Literatur
  • Textbooks: Lehrbücher, die etablierte wissenschaftliche Erkenntnisse präsentieren

Eine Sonderform sind Comment, Editorial, Letter to the Editor: Dies sind Meinungsbeiträge und Diskussionen innerhalb wissenschaftlicher Zeitschriften, die keine Originalforschung enthalten, aber zur wissenschaftlichen Debatte beitragen. Diese Beiträge sind formal zitierfähig, wenn sie publiziert sind und bibliografische Angaben haben (Autor, Titel, Journal usw.). Allerdings ist ihre Zitierwürdigkeit nicht immer klar und hängt stark vom Kontext ab. So sind eher persönliche Meinungen oder journalistische Einschätzungen ohne wissenschaftliche Fundierung nicht zitierwürdig.

Tipp: Wie erkenne ich die Quellenart auf den ersten Blick?

Wenn Sie einen wissenschaftlichen Text im Internet finden, gibt es einige Hinweise im Titel, Abstract oder Aufbau, die Rückschlüsse auf die Art der Quelle zulassen.

Merkmale Primärquelle Sekundärquelle
Titel Enthält oft Begriffe wie Study, Clinical Trial, Experimental Analysis, Case Report Enthält oft Begriffe wie Review, Meta-Analysis, Systematic Review, Overview
Abstract Oft strukturiert: Background / Rationale, Methods, Results, Conclusions Fasst andere Studien zusammen, enthält keine neuen Originaldaten aus Beobachtungen oder Experimenten
Aufbau Folgt meist der IMRAD*-Struktur Enthält oft eine umfassende Literaturanalyse oder eine statistische Analyse der Daten aus Primärquellen
Zitierverhalten Zitiert häufiger eigene Forschungsergebnisse. Eng an das Thema angelegt Zitiert andere Studien zur Analyse und Bewertung. Breit angelegt
Wo zu finden? Medizinischen und Literaturdatenbanken wie Medline (PubMed), EMBASE, Google Scholar, clinicaltrials.gov z.B. Cochrane Library, Scopus, Google Scholar

*Das Akronym „IMRAD“ steht für „Introduction, Methods, Results and Discussion“ (Einleitung, Methode, Ergebnisse und Diskussion).

Nicht zitierfähige Quellen – Finger weg!

Nicht jede gefundene Information darf in einer wissenschaftlichen Arbeit zitiert werden. Hier einige Beispiele für nicht zitierfähige Quellen:

Fazit: Welche Quelle für welchen Zweck?

Die Wahl der richtigen Quelle ist entscheidend für die Qualität einer wissenschaftlichen Arbeit.

Eine einfache Grundregel ist:

  • Primärliteratur verwenden, wenn möglich.
  • Sekundärliteratur zur Unterstützung und Kontextualisierung heranziehen.
  • Tertiärliteratur für den Einstieg nutzen – aber mit Vorsicht!
  • Nicht zitierfähige Quellen vermeiden!


Merke: Wer klug wählt, spart Zeit. Die richtige Quelle macht den Unterschied.

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Über die Autorin

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Dr. Birgit Eschweiler – Wissenschaft auf den Punkt gebracht

Wissenschaft ist meine Welt – und klare, fundierte Information meine Leidenschaft.
Als Diplom-Biologin und promovierte Biophysikerin arbeite ich seit über 25 Jahren als Medical Writer und Medizinjournalistin. Täglich bewege ich mich zwischen Forschung, Fakten und Formulierungen.

Im Faktenfinderblog teile ich mein Wissen darüber, wie man in der Fülle an Informationen das Wichtige vom Beliebigen trennt. Ich zeige, worauf es bei der Recherche wirklich ankommt – und wie evidenzbasierte Erkenntnisse verständlich werden.

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