Stellen Sie sich vor, Sie möchten eine Reise buchen. Ohne genau zu wissen, wohin es gehen soll, geben Sie einfach „Urlaub buchen“ in eine Suchmaschine ein. Das Ergebnis: eine unüberschaubare Flut an Angeboten – meist Werbung statt hilfreicher Informationen. Sie scrollen und klicken, aber finden nichts Passendes, weil Sie nicht genau wissen, wonach Sie eigentlich suchen. Nach einer Weile geben Sie entnervt auf. Und gehen doch wieder ins Reisebüro.
Genauso verhält es sich mit der wissenschaftlichen Recherche. Ohne eine klare, präzise Fragestellung ertrinken Sie in einer Informationsflut. Sie erhalten Ergebnisse, die entweder irrelevant, verzerrt oder schlichtweg falsch sind.
Eine gezielte Recherche gleicht der Suche eines Kaninchens in seinem Bau. Wer ziellos durch die verzweigten, dunklen Gänge rennt, verliert die Orientierung und verirrt sich schnell im Labyrinth der Informationen. Doch wer seinen Weg mit System verfolgt, Spuren liest und gezielt Abzweigungen erkundet, gelangt schließlich ans Ziel – zum sicheren Nest der verlässlichen Fakten.
Wenn Sie Lust haben, noch tiefer einzutauchen, begleite ich Sie gerne weiter – in meiner Reihe wissenschaftliche Quellen bewerten.
Welche Recherche-Arten gibt es?
Wie stellt man die richtige Frage?
Eine präzise Fragestellung ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Suche. Das gilt immer – egal ob Sie im Internet, in einer Bibliothek oder mit Hilfe einer KI recherchieren.
Eugene Garfield (*1925, † 2017) revolutionierte in den 1960er Jahren die wissenschaftliche Recherche und wurde zu einem Pionier der Informationswissenschaft und Begründer der Bibliometrie. Er entwickelte den Science Citation Index, der es Forschern erstmals ermöglichte, effizient nach relevanten Publikationen zu suchen und Verbindungen zwischen verschiedenen Forschungsarbeiten herzustellen.
Garfield erkannte, dass die traditionelle Suche nach Schlagworten oft unzureichend war. Stattdessen nutzte er die Idee, dass Wissenschaftler in ihren Arbeiten auf frühere relevante Forschung verweisen. Durch die Erfassung dieser Zitationen schuf er ein Netzwerk von miteinander verbundenen Forschungsarbeiten. Heute liegen diese Verzeichnisse unter der Bezeichnung Web of Science als Datenbank vor.
Diese Methode ermöglichte es Forschern, nicht nur nach Stichworten zu suchen, sondern auch zu sehen, welche anderen Arbeiten auf eine bestimmte Publikation Bezug nahmen. Dies führte zu einer effizienteren und umfassenderen Recherche, da Wissenschaftler nun leichter verwandte Forschungsgebiete entdecken und den Einfluss bestimmter Arbeiten nachverfolgen konnten.
Garfields Innovation legte den Grundstein für moderne wissenschaftliche Datenbanken und Suchmaschinen wie Web of Science und Google Scholar, die heute für die meisten Forscher unentbehrlich sind.
Die 5 Fragen als Schlüssel zur Recherche: Wer, Warum, Wo, Wie, Wann
Eine gute Recherche nach wissenschaftlichen Kriterien beginnt mit einer eindeutigen Fragestellung – sie ist spezifisch, präzise und inhaltlich strukturiert.
Wie gehen Sie nun vor? Und wie vermeiden Sie Frust?
WER fragt hier eigentlich?
Wer sich diese Fragen im Voraus stellt, spart sich später mühsames Durchforsten irrelevanter Treffer.
Stellen Sie sich vor, Sie stehen in einer riesigen Bibliothek mit tausenden Büchern – aber niemand fragt Sie, wonach Sie suchen. Stattdessen bekommen Sie einfach ein paar zufällige Titel in die Hand gedrückt. So ähnlich funktioniert eine unspezifische Recherche im Internet: Ohne klare Ausgangslage erhalten Sie Informationen, die vielleicht interessant, aber nicht unbedingt hilfreich sind.
Eine gute Recherche beginnt deshalb mit der Frage: Wer sucht hier eigentlich? Ihre Rolle bestimmt, welche Informationen für Sie relevant sind. Ein Student braucht andere Quellen als ein Facharzt, ein Journalist andere als ein Patient. Je genauer Sie Ihre eigene Ausgangslage kennen, desto effizienter wird Ihre Suche.
Fragen Sie sich:
- Welches Vorwissen habe ich?
- Welche Tiefe brauche ich?
- Wie viel Zeit kann ich investieren?
📌 Wer sich diese Fragen im Voraus stellt, spart sich später mühsames Durchforsten irrelevanter Treffer.
WARUM wollen Sie recherchieren?
Bevor Sie mit der Suche beginnen, sollten Sie sich eine entscheidende Frage stellen: Was ist das Ziel Ihrer Recherche? Je nachdem, was Sie herausfinden möchten, verändert sich Ihre Herangehensweise.
- Möchten Sie einen wissenschaftlichen Aufsatz, eine Bachelorarbeit oder eine Publikation verfassen? Dann benötigen Sie belastbare, aktuelle Fachquellen.
- Brauchen Sie lediglich einen schnellen Überblick über ein medizinisches Thema? Dann reicht möglicherweise eine Zusammenfassung aus einer vertrauenswürdigen Quelle.
- Geht es um praktische Aspekte wie Kosten, Verfügbarkeit oder Patienteninformationen? Dann spielen Fachartikel eine untergeordnete Rolle, und eine gezielte Suche in Verbraucherportalen oder Klinikwebseiten ist sinnvoller.
- Recherchieren Sie für jemand anderen, z. B. eine Person ohne Internetzugang oder Fachwissen? Dann ist es wichtig, dass die Informationen verständlich und gut zugänglich sind.
📌 Die Antwort auf das WARUM erleichtert die Recherche und spart wertvolle Zeit. Bevor Sie loslegen, klären Sie für sich: Was genau möchten Sie herausfinden – und wofür?
WO recherchieren Sie?
Das Internet ist riesig – aber ist es immer die beste Quelle? Die Wahl des richtigen Orts für die Recherche entscheidet darüber, wie schnell und zuverlässig Sie an relevante Informationen gelangen.
Online-Suche: Nutzen Sie medizinische Datenbanken wie Medline oder Google Scholar, wenn Sie wissenschaftliche Fachliteratur benötigen. Für eine allgemeine Suche können Google, Ecosia oder Firefox ausreichen – aber Achtung: Nicht alle Informationen sind verlässlich (fehlende Qualitätskontrolle!) oder frei zugänglich. Auch graue Literatur (nicht-veröffentlichte wissenschaftliche Arbeiten) kann eine wertvolle Ergänzung sein.
Bibliotheken & Archive: Manchmal reicht das Internet nicht aus. Ältere oder spezialisierte Werke sind oft nur in Bibliotheken oder Archiven verfügbar. Besonders bei historischen Quellen, seltenen Fachbüchern oder Originaldokumenten kann ein Vor-Ort-Besuch unverzichtbar sein.
Die digitale Informationsflut: Schon 2020 existierten 2,7 Zettabyte an Daten – das entspricht 250 Milliarden DVDs, genug für einen Turm bis zum Mond. Doch trotz dieser gewaltigen Datenmenge bleiben viele wissenschaftliche Dokumente und Primärquellen nur in physischer Form erhalten.
Was ist Ihr Ziel? Wollen Sie eine Liste wissenschaftlicher Publikationen, eine Checkliste, einen verständlichen Ratgeber oder Expertenkontakte? Je klarer Sie Ihr Endergebnis definieren, desto gezielter können Sie die passenden Quellen auswählen.
Eine gute Recherche beginnt mit der Wahl der geeigneten Informationsquelle.
📌 Überlegen Sie: Wo finden Sie die besten Antworten auf Ihre Frage?
WIE recherchieren Sie?
Die richtige Frage zu stellen, ist eine Kunst – und entscheidet darüber, wie treffsicher Ihre Recherche ist. Eine gut strukturierte Fragestellung verhindert, dass Sie sich in unklaren oder zu allgemeinen Suchanfragen verlieren.
Eine effektive Methode ist die Aufteilung der Frage in mehrere Komponenten:
📌 Beispiel: Sie möchten wissen, ob bei einem Bandscheibenvorfall die periradikuläre Therapie (PRT) genauso gute Ergebnisse erzielt wie eine Bandscheiben-OP.
Die Frage „Ist Therapie X gut?“ liefert jedoch kaum brauchbare Ergebnisse. Stattdessen hilft es, die Frage in folgende vier Bausteine zu unterteilen:
- Zielgruppe / Patientengruppe:
Für wen gilt die Fragestellung? (z. B. Erwachsene, Kinder, Patienten mit einer bestimmten Vorerkrankung) - Intervention:
Um welche Behandlung oder Therapie geht es genau? - Vergleich:
Gibt es eine alternative Behandlung oder eine Kontrollgruppe? - Ergebnis:
Welche konkreten Aspekte sind für Ihre Recherche relevant? (z. B. Wirksamkeit, Nebenwirkungen, Kosten)
Das PICO-Schema: Präzise Fragen für präzise Antworten
Diese Methode ist in der Medizin als PICO-Schema bekannt – eine bewährte Technik, um eine klare, durchdachte Fragestellung zu formulieren:
🔹 P (Patient/Problem) → Wer ist betroffen?
🔹 I (Intervention) → Welche Maßnahme wird untersucht?
🔹 C (Comparison) → Gibt es eine Vergleichsgruppe?
🔹 O (Outcome) → Was ist das gewünschte Ergebnis?
📌 Wer seine Frage nach dem PICO-Schema strukturiert, erhält präzisere Antworten und vermeidet irrelevante Treffer.
Keywords gezielt einsetzen: Suchergebnisse verbessern
Gut gewählt ist halb gefunden: Mit den richtigen Keywords machen Sie Ihre Recherche effizienter. Eine präzise Wortwahl hilft Ihnen, relevante Informationen schneller zu finden.
Tipps zur Keyword-Findung:
✔ Synonyme & verwandte Begriffe nutzen: Beispiel: „Herzinfarkt“ = „Myokardinfarkt“.
✔ Englische Begriffe einbeziehen: Viele Fachartikel sind auf Englisch verfasst – oft lohnt sich die Suche mit englischen Keywords. Falls nötig, kann eine automatische Übersetzung helfen.
✔ Hilfreiche Tools für die Suche nach Synonymen sind beispielsweise:
– OpenThesaurus.de
– Thesaurus.com
– woerterbuch.info
– duden.de
Profi-Tipp: Boolesche Operatoren für gezieltere Treffer
AND → Zeigt nur Ergebnisse an, die beide Begriffe enthalten. („Diabetes AND Bluthochdruck“)
OR → Findet Seiten mit mindestens einem der Begriffe. („Diabetes OR Bluthochdruck“)
NOT → Schließt Begriffe aus. („Diabetes NOT Typ-1“)
📌 Gut gewählte Keywords sparen Zeit und führen zu besseren Ergebnissen.
WANN ist genug?
Wann ist eine Recherche eigentlich abgeschlossen? Wer schon stundenlang sucht, zig Quellen durchforstet und Notizen füllt, kennt das Problem: Man verliert sich leicht in immer neuen Informationen. Doch irgendwann muss Schluss sein – aber wann?
Folgende Kriterien zeigen, wann Sie Ihre Suche guten Gewissens beenden können.
- Informationen gesättigt: Finden Sie nur noch Wiederholungen, statt neuer Erkenntnisse? Dann haben Sie vermutlich den Großteil der relevanten Literatur erfasst.
- Forschungsfrage abgedeckt: Ihre Quellen decken alle Aspekte Ihrer Fragestellung ab? Dann ist die Recherche abgeschlossen.
- Zeitaufwand: Eine Faustregel besagt, dass die Recherche rund zwei Drittel der Gesamtarbeitszeit beanspruchen sollte. Ist dieser Rahmen erreicht, lohnt es sich, den Abschluss zu prüfen.
- Qualität der Quellen: Wenn Ihre Quellen wissenschaftlich fundiert sind und Sie über genügend verlässliche Daten verfügen, haben Sie einen guten Punkt erreicht, um die Recherche zu beenden.
- Aktualität: Sind Ihre Quellen die neuesten und relevantesten Publikationen zu Ihrem Thema? Dann ist das ein weiteres Zeichen für eine umfassende Recherche.
- Projektziele erfüllt: Passt Ihr Material zu Ihrem ursprünglichen Rechercheziel? Dann haben Sie genug gesucht.
📌 Legen Sie im Vorfeld Kriterien dafür fest, wann Sie ihr Ziel erreicht haben. Wenn diese Kriterien erfüllt sind, können Sie die Recherche guten Gewissens abschließen 😊
Fazit: Präzise Fragen führen zu präzisen Antworten
Eine klare Fragestellung ist entscheidend, um relevante Suchergebnisse zu erhalten. Formulieren Sie präzise, was Sie wissen möchten. So sparen Sie Zeit und schonen Ihre Nerven. Beantworten Sie die 5 W-Fragen, nutzen Sie das PICO-Schema, wählen Sie die richtigen Keywords und optimieren Sie Ihre Suche mit logischen Operatoren. So erhalten Sie wissenschaftlich fundierte Antworten auf Ihre Fragen. Kurz gesagt: Schlau fragen bringt die richtigen Antworten.


